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Bleiben

Was gibt es schon zu sagen? Sprache ist etwas Unvollkommenes und dennoch, wir reden den ganzen Tag und sprechen Dinge aus, die uns und andere verletzen können und gewiss auch tun. Wenn ich spreche, dann habe ich manchmal das Gefühl, ich will eigentlich etwas anderes sagen. Warum also nicht das andere aussprechen?

Mit meinem letzten Beitrag, habe ich beschlossen, dass ich solange ein Krieg in Europa wütet, nicht mehr diesen Blog mit Wörtern füttere.

Sich „wegstehlen“ oder bleiben, um da zu sein, für die, die keine Stimme haben?

Ich denke an alle, die mit Schmerzen und wenig Trost etwas auf dieser Welt vermissen – Friede. Und damit meine ich nicht nur jenen, der die Menschen vor Vernichtung und Verfolgung schützt. Es ist dieser in uns ruhende, der für Kraft und Liebe sorgt. Ich hoffe, es ist etwas davon in den meisten von uns und noch mehr wünsche ich mir, dass er diejenigen erreicht, die erfüllt sind von Hass und Wut. Wer das versteht, kann sich bitte darum kümmern, die Menschen davon zu überzeugen, dass es sich unglaublich gut anfühlt, zu verzeihen. Es ist die friedlichste Art, Konflikten zu begegnen und Hoffnung zu säen.

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Schweigen?

Auf der unsagbar tragischen Reise nach Trachimbrod gibt es einen tiefen Moment der Ruhe. Hier habe ich den Film* gestoppt und das Standbild wurde, nachdem ich die weiße Wand weggeschoben hatte, auf die grüne Tafel unseres Klassenraums projiziert. Die Personen liegen friedlich schlafend auf einer grünen Wiese und es ist früh am Morgen. Ich habe darüber mit Kreide die folgenden Worte aufgeschrieben: Wichtige Nachricht. Es ist wieder Krieg in Europa!

Einer meiner Schüler lief zur Tafel und las die Botschaft, während ich die Worte verfasste. Er schien sofort verstanden zu haben.

Eine Schülerin beschwerte sich, weil die Klasse plötzlich aufgebracht war über diese scheinbar befremdliche Wahrheit. „Warum machen Sie das? Es ändert doch eh nichts!“, waren ihre Worte.

Ich versuchte es ihr zu erklären. Seit ich am Morgen vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hörte, war ich zutiefst verunsichert. Meine Gedanken kreisten während jenes Moments in meinem Kopf mit der Gewissheit, dass sich jetzt vieles ändern wird. War es wirklich Krieg? Dies beschäftigt mich und alles andere schien nicht mehr so wichtig. Das Leben geht einfach so weiter und wir können nichts daran ändern? Damit konnte ich mich nicht zufriedengeben. Sollte ich deshalb ein Zeichen setzen? Was bewirkt das? Wie hätte ich meine persönliche Sicht der Dinge so vermitteln können, ohne Ablehnung zu erzeugen? Ich möchte ja niemanden mit meiner Sicht bekehren. Doch es ist meine Pflicht, aus tiefster Überzeugung und objektiver Sachkenntnis über die besondere Lage zu informieren. Dabei hilft mir das Bild, dass ich mir aus einer umfassenden Recherche der Fakten erstellt habe und damit meine ich gesicherte Informationen aus seriösen, also vertrauensvollen Medien.

Was bringt es, über einen Krieg zu sprechen, den niemand rechtfertigen kann, außer der Person, die sich in einer Tradition von Despoten einreiht?

Es tut einfach gut, nicht an der Ohnmacht, die diese Person bei allen Betroffenen auslöst, zu ersticken. Wenn Schweigen und Erdulden etwas bringen würde, wie gern würde ich mich daran versuchen, all meine Gedanken zu verdrängen und einfach meinen Mund zu halten.

*Filmtitel: „Alles ist erleuchtet“ nach einer Romanvorlage von Jonathan Safran Foer aus dem Jahr 2002

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Weihnachten?

Ist das wirklich Weihnachten? Für viele Menschen fühlt es sich weihnachtlich an, für andere ist es eine schwierige Zeit und für einige spielt die Weihnachtsbotschaft keine Rolle mehr.

Für mich war und ist Weihnachten mehr als nur die stimmungsvolle Hülle, die uns in den Straßen, Plätzen und Häusern umgibt. Es sind die leuchtenden Erinnerungen an Kindheitstage und deren Zauber, als ich noch nicht verstand, was es heißt, in einer bedrohten Welt zu leben und ich mich sicher wähnte, am behüteten Ort, der mein zu Hause war.

Menschen, die Weihnachten mit schweren Schicksalsschlägen verbinden, empfinden diese Zeit als schlimm und schmerzhaft. Dort, wo die Weihnachtsgeschichte erzählt wird, gibt es Hoffnung und Zuversicht. Aber es gibt auch das, eine Familie, die ausgelöscht wurde, und viele verzweifelte Verwandte, bestürzte Nachbarn und viele betroffene Bekannte zurücklässt. Welche Hoffnung kann es hier noch geben? Vielleicht die der unendlich großen Anteilnahme vieler Menschen, verbunden mit dem Wunsch, auf jene zuzugehen, denen der Boden unter den Füßen zu entgleiten droht.

Frauenkirche, Dresden
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Neugier

In einer Blase von Informationen, die maßgeschneidert und vorhersehbar sind, lebt es sich äußerst gemütlich. Die Gedanken hier sind bequem und einleuchtend. Das formt eine klare Position und grenzt ab vom Andersdenken. Doch in einer Blase wird der „geistige Sauerstoff“ schnell knapp und es endet aufgrund der schwachen Versorgung meist im Irrationalen.

Was wir heute von der Zukunft wissen, ist die Prognose, der wir vertrauen. Daraus lassen sich wünschenswerte Ziele ableiten. Diese geben uns eine Richtung vor und den nötigen Ansporn, etwas anzupacken. Das dürfte jedoch schwerfallen, wenn Vakuum in der Blase ist. Jetzt wäre es an der Zeit, die Blase zu verlassen. Aber wie?

Sich selbst weniger ernst zu nehmen ohne Verlust der Selbstachtung ist hilfreich. Eine weitere Möglichkeit eröffnet sich in der stärkeren Wahrnehmung unserer sozialen Umwelt einschließlich der intensiven Auseinandersetzung damit. Ebenso bedeutsam wäre es, Neues zu akzeptieren.

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Vorsicht, Wissen!

Wissen mehrt sich, vergrößert seine Bestände in rasanter Geschwindigkeit und erneuert sich. Es widerlegt und erhebt sich, nützt und macht zugleich hilflos. Es drängt sich auf und belastet, wird zum Leben benötigt oder gar zum Überleben, wenn es darauf ankäme. Doch es fehlt noch zu viel. Die Lücken werden größer, je mehr Wissen angehäuft wird im Wettbewerb um die beste Wissensbasis. Wohin führt uns dieses Bestreben?

Wir haben verstanden, dass Wissen stetig und aus Vielfalt entsteht. Die Organisation der Wissensbestände hat sich in den Weiten und Tiefen des Internets verselbstständigt. Dennoch scheint es notwendig, so viel wie möglich davon zu besitzen. Neue aktuelle Inhalte nehmen neben alten Platz ein. Die Lernenden sind die Leidtragenden einer großen Fülle von gut durchdachten und stets zielgerichteten Arbeitsaufträgen in Lehrbüchern und Lernplattformen des Internets. Und selbst wenn es keine Lehrer*innen als direkte Wissensvermittler mehr bräuchte, so würden doch feststehende Lernaufträge in endlosen Papier- und Datenwüsten diese in gleicher Art und Weise ersetzen, bewiesen durch das eindimensionale Distanzlernen während der pandemiebedingten Schulschließungen. Lernen nach Plan ist das Prinzip – und Vorsicht, denn wer den bereits geebneten Pfad verlässt, könnte sich außerhalb des Lernplans bewegen und etwas Lernen, dass er besser nicht wissen sollte.

Willkommen in der Lebenswirklichkeit eines Schulkindes!

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Reset

Wenn ein System in der Computersprache als eingefroren bezeichnet wird, dann hilft ein hartes Herunterfahren. Dies ist eigentlich ein sofortiges Abschalten aller Funktionen und Prozesse ähnlich dem Trennen von der Stromversorgung. Dazu muss der Computer zunächst in den Shutdown durch langes Drücken der Starttaste gebracht werden. Anschließend wird der Computer wie gewohnt hochgefahren mit eben derselben Taste. Wenn das Systeme komplett am Laufen ist, können alle Prozesse gestartet werden, die für die Arbeit mit dem Computer benötigt werden. Wichtige und auch weniger wichtige Applikationen lassen sich nun wieder bedienen. Zumindest so lange, bis das Virus wieder zuschlägt und das System erneut einfriert. Damit das nicht geschieht, muss ein Virenscan und weitere Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Das setzt voraus, dass ein derartiges Virenschutzprogramm vorhanden ist und bereits installiert wurde. Bis der Scan des gesamten Computers erfolgt ist, kann einiges an Zeit vergehen. Wenn das Virus gefunden wurde, landet dieses im Quarantäneordner, bis zu dem Zeitpunkt, da ein sicheres Entfernen möglich ist und keine weiteren versteckten Dateien erneut das Virus auslösen können. Ist alles ohne Erfolg geblieben, dann hilft nur noch ein Neuaufsetzen des Betriebssystems. Die Festplatte und das darauf befindliche alte System werden gelöscht, indem diese formatiert wird. Anschließend wird das Betriebssystem neu installiert. Alles beginnt von vorn.

Werden Computersysteme unsere Welt retten oder zerstören? Der Versuch, Lebenswirklichkeit durch digitale Technologien zu ersetzen, scheitert angesichts der Tatsache empfindsamer Individuen und der Einzigartigkeit jedes Lebewesens.

Ohne Titel 2018

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