Wie leise es ist, wenn man sich von der Stadt entfernt. Ich fuhr oft von der Stadt aufs Land, auch weil ich dem Lärm und der Hektik entfliehen wollte. Hier ist es fast idyllisch, wenn da nicht die unweit tosende Autobahn wäre. Heute nach vielen Jahren Landleben, habe ich es gespürt, draußen im Garten und in der Abenddämmerung hört man die ungezählten Autos auf dem harten Belag rauschen. Ich fühle mich davon gestört und dachte mir, dahin, wo es wirklich ruhig ist, müsste man. Hatte sich etwas verschoben in meiner Wahrnehmung? Die scheinbar so friedliche ländliche Atmosphäre trügt.
Ich bin ein ruhiger Mensch, ich brauche Harmonie und wünsche mir zufriedene Mitmenschen. Ich sehe nur keine. Vielleicht gibt es sie. Vielleicht woanders, nur nicht auf dem Land, da scheint zu wenig von Allem zu sein.
Dir ist es untersagt, etwas Spezielles zu tun, aber du musst das Verbot umgehen, damit du selbst keinen Schaden nimmst. Klingt nach Alltag, und das ist es auch, denn wir leben in einer Welt voller Widersprüche.
Wäre das Dilemma nun aufgelöst, ohne Verbote?
Naja, fast, denn es greift hier die Regel, die besagt, dass man dem inneren Kompass folgen solle. Doch der scheint zu wenig Orientierung für diese Welt zu bieten. Deshalb streiten und diskutieren parlamentarisch gewählte Menschen für möglichst sinnvolle Regeln, die dann zu Gesetzen verhandelt werden. Dabei ist zu bedenken, dass ein starres Regelwerk über den Bedürfnissen und individuellen Wünschen der Empfängerinnen und Empfänger steht. Es begrenzt und verhindert kreative Prozesse.
Wie wäre es mit sanften Regeln?
Diese wären dann harmonisch und ließen sich bewusst aufweichen, wo nötig und sind somit flexibel. Sie würden auch abweichendes Verhalten tolerieren und könnten dieses mit Geschick und Feingefühl wieder in den vorgefassten Rahmen zurückführen.
Sollten nicht auch mal Grenzen überschritten werden dürfen, um Fehltritte zu erkennen und zu verstehen?
Ich empfehle einen sachlich offenen Diskurs über das, was uns Sorge bereitet. Die entsprechende Kompetenz entsteht aus dem zielgerichteten und verantwortungsvollen Umgang mit Realitäten. Hier eröffnen sich neue Möglichkeiten für uns, zu lernen und zu wachsen.
Was gibt es schon zu sagen? Sprache ist etwas Unvollkommenes und dennoch, wir reden den ganzen Tag und sprechen Dinge aus, die uns und andere verletzen können und gewiss auch tun. Wenn ich spreche, dann habe ich manchmal das Gefühl, ich will eigentlich etwas anderes sagen. Warum also nicht das andere aussprechen?
Mit meinem letzten Beitrag, habe ich beschlossen, dass ich solange ein Krieg in Europa wütet, nicht mehr diesen Blog mit Wörtern füttere.
Sich „wegstehlen“ oder bleiben, um da zu sein, für die, die keine Stimme haben?
Ich denke an alle, die mit Schmerzen und wenig Trost etwas auf dieser Welt vermissen – Friede. Und damit meine ich nicht nur jenen, der die Menschen vor Vernichtung und Verfolgung schützt. Es ist dieser in uns ruhende, der für Kraft und Liebe sorgt. Ich hoffe, es ist etwas davon in den meisten von uns und noch mehr wünsche ich mir, dass er diejenigen erreicht, die erfüllt sind von Hass und Wut. Wer das versteht, kann sich bitte darum kümmern, die Menschen davon zu überzeugen, dass es sich unglaublich gut anfühlt, zu verzeihen. Es ist die friedlichste Art, Konflikten zu begegnen und Hoffnung zu säen.
Auf der unsagbar tragischen Reise nach Trachimbrod gibt es einen tiefen Moment der Ruhe. Hier habe ich den Film* gestoppt und das Standbild wurde, nachdem ich die weiße Wand weggeschoben hatte, auf die grüne Tafel unseres Klassenraums projiziert. Die Personen liegen friedlich schlafend auf einer grünen Wiese und es ist früh am Morgen. Ich habe darüber mit Kreide die folgenden Worte aufgeschrieben: Wichtige Nachricht. Es ist wieder Krieg in Europa!
Einer meiner Schüler lief zur Tafel und las die Botschaft, während ich die Worte verfasste. Er schien sofort verstanden zu haben.
Eine Schülerin beschwerte sich, weil die Klasse plötzlich aufgebracht war über diese scheinbar befremdliche Wahrheit. „Warum machen Sie das? Es ändert doch eh nichts!“, waren ihre Worte.
Ich versuchte es ihr zu erklären. Seit ich am Morgen vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hörte, war ich zutiefst verunsichert. Meine Gedanken kreisten während jenes Moments in meinem Kopf mit der Gewissheit, dass sich jetzt vieles ändern wird. War es wirklich Krieg? Dies beschäftigt mich und alles andere schien nicht mehr so wichtig. Das Leben geht einfach so weiter und wir können nichts daran ändern? Damit konnte ich mich nicht zufriedengeben. Sollte ich deshalb ein Zeichen setzen? Was bewirkt das? Wie hätte ich meine persönliche Sicht der Dinge so vermitteln können, ohne Ablehnung zu erzeugen? Ich möchte ja niemanden mit meiner Sicht bekehren. Doch es ist meine Pflicht, aus tiefster Überzeugung und objektiver Sachkenntnis über die besondere Lage zu informieren. Dabei hilft mir das Bild, dass ich mir aus einer umfassenden Recherche der Fakten erstellt habe und damit meine ich gesicherte Informationen aus seriösen, also vertrauensvollen Medien.
Was bringt es, über einen Krieg zu sprechen, den niemand rechtfertigen kann, außer der Person, die sich in einer Tradition von Despoten einreiht?
Es tut einfach gut, nicht an der Ohnmacht, die diese Person bei allen Betroffenen auslöst, zu ersticken. Wenn Schweigen und Erdulden etwas bringen würde, wie gern würde ich mich daran versuchen, all meine Gedanken zu verdrängen und einfach meinen Mund zu halten.
*Filmtitel: „Alles ist erleuchtet“ nach einer Romanvorlage von Jonathan Safran Foer aus dem Jahr 2002
Ist das wirklich Weihnachten? Für viele Menschen fühlt es sich weihnachtlich an, für andere ist es eine schwierige Zeit und für einige spielt die Weihnachtsbotschaft keine Rolle mehr.
Für mich war und ist Weihnachten mehr als nur die stimmungsvolle Hülle, die uns in den Straßen, Plätzen und Häusern umgibt. Es sind die leuchtenden Erinnerungen an Kindheitstage und deren Zauber, als ich noch nicht verstand, was es heißt, in einer bedrohten Welt zu leben und ich mich sicher wähnte, am behüteten Ort, der mein zu Hause war.
Menschen, die Weihnachten mit schweren Schicksalsschlägen verbinden, empfinden diese Zeit als schlimm und schmerzhaft. Dort, wo die Weihnachtsgeschichte erzählt wird, gibt es Hoffnung und Zuversicht. Aber es gibt auch das, eine Familie, die ausgelöscht wurde, und viele verzweifelte Verwandte, bestürzte Nachbarn und viele betroffene Bekannte zurücklässt. Welche Hoffnung kann es hier noch geben? Vielleicht die der unendlich großen Anteilnahme vieler Menschen, verbunden mit dem Wunsch, auf jene zuzugehen, denen der Boden unter den Füßen zu entgleiten droht.
In einer Blase von Informationen, die maßgeschneidert und vorhersehbar sind, lebt es sich äußerst gemütlich. Die Gedanken hier sind bequem und einleuchtend. Das formt eine klare Position und grenzt ab vom Andersdenken. Doch in einer Blase wird der „geistige Sauerstoff“ schnell knapp und es endet aufgrund der schwachen Versorgung meist im Irrationalen.
Was wir heute von der Zukunft wissen, ist die Prognose, der wir vertrauen. Daraus lassen sich wünschenswerte Ziele ableiten. Diese geben uns eine Richtung vor und den nötigen Ansporn, etwas anzupacken. Das dürfte jedoch schwerfallen, wenn Vakuum in der Blase ist. Jetzt wäre es an der Zeit, die Blase zu verlassen. Aber wie?
Sich selbst weniger ernst zu nehmen ohne Verlust der Selbstachtung ist hilfreich. Eine weitere Möglichkeit eröffnet sich in der stärkeren Wahrnehmung unserer sozialen Umwelt einschließlich der intensiven Auseinandersetzung damit. Ebenso bedeutsam wäre es, Neues zu akzeptieren.