Wir haben eine Situation, die in unserem Land nicht nur besonders, sondern auch sehr tragisch ist. Unsere Schulen sind verschwunden. Das Lernen aber nicht. Dennoch sucht die Institution Schule Zugang zu unseren Kinder-, Wohn- und mit Technik ausgestatteten Räumen. Ist das richtig? Wie weit darf Schule in unser Privatleben eindringen? Was von Schülerinnen und Schülern in dieser von der Natur hervorgebrachten Krise abverlangt wird, ist so unterschiedlich, dass es nahezu die Frage aufwirft: Ist diese virtuelle Schule eine wirklich sinnvolle Instanz für eine derartige Herausforderung? Warum ich diese Frage so drastisch stellen muss, möchte ich begründen.
Ich halte es für richtig, Kinder in Notzeiten nicht sich selbst zu überlassen. Ihnen Anreize und Beschäftigung zu geben ist notwendig und kann über den Verlust des sozialen Schullebens hinwegtrösten. Es ist gut zu verstehen, dass einige Schulen versuchen, auch in diesem Rahmen eine soziale Struktur aufrecht zu erhalten. Leider ist hier auch eine deutliche Ungleichheit zu beobachten. Einige Schulen haben den Übergang mühelos vollzogen und sind gut vernetzt mit ihren Schülerinnen und Schülern, andere haben „Funkstille“. Lediglich die Arbeitspakete, die ausgehändigt wurden, bilden noch eine gedankliche Brücke.
Ich beobachte in diesen Zeiten mit großer Freude, dass es durchaus auch noch Begeisterung bei den Kindern am Lernen gibt. Selbstständig und frei in der Zeitplanung zu sein ist etwas, dass Schule im 45-Minutentakt heute nicht mehr bieten kann. Die virtuelle Schule schränkt aber diese Freiheit ein, sobald die Lehrkräfte Präsenz im Livemodus zeigen müssen. Hier wird ein System nur auf die private Umgebung verlagert, mit den Zwängen und Regeln aus der analogen Welt. Soll das die Schule der Zukunft werden? Weg von kostspieligen Gebäuden und Infrastrukturen hin zu privaten Lernorten.
Die aktuellen Erfahrungen zeigen hoffentlich die Schwächen dieses Szenarios. Vielleicht ist die Zurückgezogenheit und die Freiheit des Denkens der Schlüssel. Denn Freiheit entsteht dort, wo wir uns im Innersten entfalten können. Und das kann möglich sein, wenn wir nicht wie Objekte in einer Funktionskette, sondern als Individuen mit eigenen Zielen und Vorstellungen leben.